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Leitartikel von Siegfried Korzonnek

Dieser Artikel ist eine Fortsetzung zum ECHO-Leitartikel Februar/März 2021. Er ist entnommen aus dem bisher unveröffentlichten Manuskript von Siegfried Korzonnek: „Robinson-Geschichten – Wie ein einfältiger Mann mit der Bibel die Welt eroberte“, Kapitel 6 (© Siegfried Korzonnek). Die bisherigen Kapitel 1 bis 3 finden Sie unter dem Menüpunkt „Robinson-Geschichten“.

Alle Straßen, die ich sah, betrat ich. Denn in dem Buch, das ich las, in ihm las ich die Worte: „Gehet hin in alle Welt.“ So war es richtig, dass ich nicht auf dem Schiff blieb. Denn ich las, dass auch Petrus, der ersten Jünger einer, die Worte von Jesus hörte: „Verlass das Schiff! Komm zu mir auf das Wasser!“ Und ich dachte: Das Meer, auf dem Jesus damals ging, das Meer war die Welt!

Aus dem schönen Himmel hat Gott Jesus geschickt und in die Welt gesandt. Denn Gott will, dass „alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und gerettet werden“, vernahm ich in klarem Ton. Und so ging auch ich in diese Welt. Denn das Schiff war nicht mehr da, in das ich zurück konnte. Und ich konnte mich nicht mehr darin bergen und nicht mehr verbergen. Denn das Schiff war doch nur da, um mich dahin zu bringen, wo die anderen sind. Wo die waren, die verloren waren.

Und ich dachte für einen Augenblick: „Wie wäre es, wenn ich dächte, dass ich geboren bin, um nur im Schiff zu sitzen. Wenn ich mich immer nur freute über die schöne Kajüte. Und über die drei großen, blau angemalten Wasserlöcher, in denen die Vielen herumtollten und sich freuten. Und wenn ich nur in dem Raum bliebe, wo die vielen Schönen und die vielen Eleganten saßen, die sich freuten, wenn sie aus dem Fenster schauten auf die große blaue See. Und die sagten, dass sie sich freuten, dass sie nicht draußen seien bei den Fluten, die an das Schiff prallten.“

Doch dann wurde ich unterbrochen durch ein Kind, das ich, als ich gen Himmel schaute, fast zertreten hätte. Denn ich war nur mit dem Himmel beschäftigt. Und ich hatte keinen Blick für das, was unten war, und für die, die unten waren. Und ich schaute weg vom Himmel. Für eine Zeit lang. Weil es genügte. Denn der Himmel hatte mich gestärkt für das, was kam und noch kommen sollte. Denn ich hatte, als ich gen Himmel schaute, vernommen: „Fürchte dich nicht. Ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“

Und gestärkt durch das, was in mein Herz fiel, wandte ich meinen Blick auf das Kind, das ich fast zertreten hatte. Und es war ein kleiner Junge. Zerlumpt, zerzaust. „Ein Straßenjunge“, sagte mir ein Mann, der zusammen mit mir vor kurzem mein Schiff verlassen hatte. „Ein Straßenjunge. Denen darf man nichts geben“, hörte ich diesen Herrn reden, während er bemüht war, in seiner Manteltasche herumzuwühlen, um zu sehen, ob darin noch sein Geldbeutel sei. Denn er hatte gehört, dass Straßenjungen nur Diebe seien. Und dass man denen nicht zu nahe kommen sollte. „Doch dieses ist die Welt, in die mich Jesus geschickt hat“, rief ich dem Mann hinterher. Aber der hatte nicht mehr vernommen, was ich rief. Denn er ging schnellen Schrittes auf die andere Seite der Straße, an den Ort, wo kein Bettler war.

„Wo kommst du her?“, fragte ich den wohl Siebenjährigen, der nun aufstand und dicht an mich kam. „Der ist kein Dieb“, sagte ich mir, und ich hielt den Koffer nicht fest, den ich bei mir hatte. Denn ich wollte nicht so sein wie der, der diesem allen entfloh und der auf die andere Straßenseite ging. „Wo kommst du her?“, sagte ich dem Jungen mit den dunklen, fast schwarzen Augen und dem dunklen Haar, ein zweites Mal. „Wo alle herkommen: aus Weiß-ich-nicht“, sagte der Junge in traurigem Ton. „Weiß-ich-nicht heißt der Ort, wo wir alle herkommen. Ich und die anderen in diesem Teil der Stadt. Wir alle wissen nicht, wo wir herkommen. Darum sitzen wir hier, weil wir nicht wissen, wer unser Vater und wer unsere Mutter ist.“

Und als er das sagte, schaute ich weiter um mich her. Und siehe, ich sah, dass es noch andere waren, die an den Straßenrändern saßen und aussahen wie er, den ich fast zertrat. Und ich bemerkte, dass Tränen in meine Augen kamen. Und ich versuchte, dass es niemand sah. Und ich grub in meinem Koffer herum. Und weil ich grub, darum fand ich etwas. Denn wer sucht, der wird auch etwas finden, wurde mir im Buch gesagt.

Und ich fand, wie mir versprochen wurde. Etwas, das aussah wie etwas, das man essen konnte. Und eine kleine braune Münze fand ich in meiner Hosentasche, nachdem ich lange herumsuchte und für einen Augenblick dachte: „Das ist nur ein Hosenknopf!“ Und ich dachte für einen Augenblick: „Was hilft‘s? Reicht der kleine Happen aus für so viele? Kann eine Münze diesen sättigen und die Vielen, die auch noch da waren?“

Und ich dachte: „Das ist‘s, das ich schon mal vernahm, als ich in dem Buch las von dem anderen Jungen, der so Viele speisen sollte mit so Wenigem, das er hatte.“ Und ich tat, was der Junge machte, als so Vielen hungerte, und ich gab das wenig Essbare und die kleine Münze dem, der nichts hatte. Und ich gab es im Glauben, dass Gott im Himmel es sähe. Denn das Wenige, das ich gab, das war mehr als das Viele, das der Mann von vorhin hätte geben können. Denn ich gab alles, was ich hatte. Und das war mehr als alles andere.

Und ich hörte nicht auf die Stimme, die mir nun sagen wollte: „Tu es nicht! Du brauchst es später! Spare es für irgendwann!“ Denn ich dachte: „Hätte so der Junge gedacht, der alles gab, ohne zu rechnen!! Dann hätte Jesus kein Wunder getan. Und dann wären die 5.000 nicht gespeist. Und die anderen 15.000 wären verhungert! Und die Vielen hätten nicht gesehen, dass Gott ein Gott der Wunder ist. Und dass der Wunderbare wunderbar ist. Und es wäre niemals geschrieben, was ich las in meinem Buch über die zwölf Körbe, die noch übrig waren. Und … Und ich wollte nicht nur lesen von dem, was Jesus tat. Wie so viele, die so viel wissen und daraus nicht lernen. Denn alles war geschrieben, nicht zur Leere, sondern zur Lehre, damit wir glauben und sehen und tun.“

Und ich tat. Damit ich nicht ein Hörer sei, wie so viele, sondern ein Täter des Wortes und ich Gott gefiele. Und ich mich nicht selber betrüge. Denn man kann viel sprechen über das, was in dem Buch geschrieben ist. Man kann viel lesen und doch immer wieder vergessen, wenn man nicht tut, was Gott sagt. Ständig hören und doch nicht lernen. Die Sprüche der Weisen lesen, aber nie weise werden. Von denen muss es viele geben, denn es gibt so viele, die hören, aber so wenig, das geschieht auf dieser Welt.

Und so hörte ich auf zu rechnen. Denn ich wollte mit Gott rechnen. Und ich gab dem Jungen, was ich hatte. Und nichts, was ich hatte, gab ich dem Jungen nicht. ALLES! Denn: „Gib, und dir wird gegeben“, las ich, als ich in meinem Buch las. Und ich glaubte, dass der, der Himmel und Erde machte aus einem Wort, der kann machen, dass genug Saat da ist zu streuen, damit viel Frucht erwächst. FÜR ALLE! Denn Gott will, dass ALLE zur Erkenntnis kommen. Dass allen geholfen wird und sie gerettet werden, las ich schon zweimal an diesem Tag.

Und ich glaubte allem, was geschrieben steht. Und so dachte ich: „Es muss so sein, dass das, was geschrieben steht, Wahrheit ist. Und Weisheit. Nicht dieser Welt Gedanken! Aber des Himmels Gedanken!“ So wollte ich himmlisch sein und nicht irdisch. Denn Himmel und Erde werden vergehen, aber Gottes Worte nicht, erinnerte ich mich.

Und so blickte ich auf gen Himmel. Und ich rief mit lauter Stimme: „Gib Du jetzt auch, denn ich habe gegeben! Denn diese Erde ist arm. Und Du im Himmel bist reich. Silber und Gold sind Dein! Und alle Tiere gehören Dir, sagtest Du in Deinem Wort. Du brauchst keinen Reichen, du nimmst der Armen Pfennig. Und machst daraus, was Dir gefällt. Wie damals. Im Tempel. Und bei dem Jungen mit den fünf Broten und zwei Fischen!“

Und ich sprach zu dem Jungen auf der Straße: „Nimm hin und iss.“ Und der Junge sagte: „Niemals sprach ein Mensch solche Worte zu mir!“ Und ich sagte ein zweites Mal: „Nimm hin und iss. Es ist alles, was ich habe. Ich gebe es dir, damit du lebst.“ Und ich sah, dass der Junge nahm, was ich ihm gab. Und er nahm und aß mein Letztes, das ich hatte. Und ich gab ihm die Münze, die ich noch fand. Und ich sagte: „Wenn du mehr brauchst, dann sage es mir!“ Das sagte ich im Glauben. Denn ich sah, dass ich nicht mehr hatte in meiner Tasche als das, was ich dem Jungen gab, der vor mir lag!

Und ich ging weiter die Straße entlang. Und ich sah, wie groß die Stadt war. Und ich dachte: „Wie soll‘s gehen? Denn noch andere sind‘s, die darnieder liegen.“ – „Auch sie will ich in meinen Stall führen“, meinte ich, eine Stimme zu vernehmen. Und ich rief in die Stadt hinein. Gen Himmel und auf die Straße! Ich rief: „Sende mich!“ Und ich merkte, dass es die Stunde war, da Gott mich rief!

Und Gott brannte es ein in mich. Denn die Worte waren wie ein Brenneisen. Und sie wurden versiegelt in meinem Geist. Und Gott machte meine Stirn hart, dass ich voranginge hin zu denen, die mir widerstehen würden. Und dass ich nicht aufgäbe im Angesicht derer, die gegen mich wären. Und ich rief mit lauter Stimme: „Wer ist wie DU, der DU Deine Knechte sendest und ihnen alles gibst, sodass sie bestehen bleiben und das herrliche Werk ausführen können, das DU zusammen mit diesen und durch diese tun willst.“

Und ich erinnerte mich an das, was Gott mir soeben klarmachte. Und ich ging voller Zuversicht weiter meine Straße. Und ich war fröhlich! Denn ich hatte Gott alles gegeben. Und nun war Gott daran, alles zu geben. Denn ich hatte getan, was Gott wollte. Und ich hatte nichts, auf das ich mich jetzt verlassen konnte. Nur Gott! Denn Gott war jetzt alles, was ich hatte. Und damit hatte ich ALLES! ALLES, damit der Allmächtige jetzt ALLES tun könnte, was Er tun wollte – durch Seinen Geist – UND DURCH MICH.

© Siegfried Korzonnek
Missionsleiter

[Echo April – Mai 2021]